Market Talk - Kommt jetzt der große Crash?

Der Dezember steht eigentlich für saisonale Stärke an den Börsen. In diesem Jahr sind die Börsen jedoch nervös und zeigen sich orientierungslos. Ein befürchtetes Ende der KI-Euphorie, Rezessionssorgen und Unsicherheit über die weitere Zinspolitik sorgen für beängstigende Schwankungen. Auch ich habe über die Sommermonate schon geglaubt, meine Wahrnehmung sei vom Negativity Bias verzerrt.  Diese psychologische Tendenz lässt uns negative Erlebnisse stärker gewichten als positive. Zum Überleben reicht es beispielsweise, sich eine giftige Schlange zu merken, nicht die hunderten harmlosen. Ich befürchtete, Warnsignale zu sehen, wo keine sind, denn der Markt ignorierte alle Warnsignale konsequent und ein Rekord jagte den anderen. Doch nun warnt selbst die Deutsche Bundesbank und die Bank of England vor wachsenden Systemrisiken und sorgen sich um die Stabilität der Finanzmärkte. 

Das Bundesbank-Vorstandsmitglied Michael Theurer teile  in der Euro am Sonntag sein Erfahrungswissen mit den Lesern und warnte eindringlich:

 „Sorgen bereiten mir die hohen Bewertungen an den Finanzmärkten. Da gibt es erhebliches Rückschlagpotenzial" und „Die Erfahrung zeigt, dass Märkte ihre Einschätzungen sehr überraschend ändern können".

 Die vorgebrachten Argumente sind Grund genug für mich, hier nochmals einzuhaken …

 

Ich verweise zur Erinnerung und Vertiefung auf meine früheren Blogbeiträge vom

 

Was macht den  KI-Boom nun so gefährlich?

 Die Sorgen der Notenbanken Deutschlands und Englands beziehen sich u.a. auf systematische Ansteckungsrisiken, die aus komplexen “selbstreferenzierenden” Finanzierungen von KI Infrastruktur der Tech-Konzerne resultieren. Gemeint sind Fälle, wie beispielsweise der gewaltige 300-Milliarden-Dollar-Deal zwischen OpenAl und Oracle. 

Ich werde mich bemühen, die systematischen Risiken aus solchen Konstruktionen hier verständlich darzustellen.

Der KI-Boom bringt die Technologiekonzerne in Zugzwang. Der Druck führt zu riesigen Technologieprojekten wie den Bau von Rechenzentren, den Ausbau der Cloud-Infrastruktur bzw. ihrer KI-Plattformen. Die dafür erforderlichen enormen finanziellen Mittel können oft nur über komplexe Finanzierungen von mehrere Banken, Fonds und Investoren gemeinsam aufgebracht werden. Von selbstreferenzierenden Strukturen spricht man dann, wenn die Rückflüsse voneinander abhängig sind. Das bedeutet, dass die Kredite durch die erwarteten Einnahmen aus den KI-Diensten  besichert werden und diese sind wiederum durch zusätzliche Finanzierungen anderer Projekte gedeckt. Diese systematischen Abhängigkeiten führen im Falle von Problemen schnell zu  Dominoeffekten und destabilisieren dann gleich die gesamte Finanzierungsstruktur. Dies könnte schließlich in einer Vertrauenskrise münden, wie wir sie in der weltweiten Finanzkrise 2007/8 bereits erlebt haben. Die Befürchtung ist u.a., dass die notwendige Verwertung von Sicherheiten in einen “Fire Sale” mündet, der dann  einen  Preisverfall an den Börsen zur Folge hätte und eine globale Schockwelle auslösen könnte. Das enorme Rückschlagspotenzial aufgrund des hohen Bewertungsniveaus wirkt dann noch womöglich verstärkend. Ein solches Szenario scheint realistisch und die Sorgen absolut berechtigt.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang zudem an die statistisch erzielbare langjährige Durchschnittsrendite von 7 % am Aktienmarkt. Es erscheint logisch, dass bei allem Optimismus Steigerungen um über 20 %, wie in den vergangenen beiden Jahren, nicht endlos prolongierbar sind.

 

Jetzt zur aktuellen Marktsituation 

Was auch immer in den verbleibenden Handelswochen noch passieren mag, das Jahr 2025 wird jedenfalls als ein besonders schwankungsreiches Börsenjahr in Erinnerung bleiben. Bisher wurden jene belohnt, die entschlossen die Nerven behielten und langfristig investiert blieben, während jene, die zauderten oder versuchten, den perfekten Ein- und Ausstieg zu finden, Probleme mit den heftigen Kursschwankungen hatten. Ich kann nur immer wieder betonen, wer nicht dabei ist, wenn es runter geht, ist meist auch nicht dabei wenn es rauf geht. Zuletzt sorgten die schwächsten Börsenwochen  der vergangenen Monate für einige Unruhe. Die Frage ist, wie es nun weitergeht? Auf der einen Seite grassiert die Angst vor einem Crash, ausgelöst durch das Platzen der angeblichen KI-Blase und einem möglichen Strategiewechsel der FED. Andererseits sorgt bei vielen Anleger*innen die Gier und Angst etwas zu versäumen für zwiespältige Gefühle, wie Bruno auch in seiner Bad-Habits-Serie treffend analysiert.

Ich kann dazu nur die statistischen Fakten aus der Vergangenheit aufzeigen. Time in Market schlägt Timing the Markt statistisch klar. Also Anleger*innen, die dauerhaft investiert sind, erzielen die besten Renditen. Doch wer behält die Nerven, wenn es kracht und welche Schlüsse lassen sich aus der Vergangenheit für die Zukunft ziehen? In dieser Situation stellt sich Anleger*innen wieder einmal die Frage:

  • Ist eine scharfe Korrektur unvermeidlich; und wenn sie kommt:

  • Wann genau und wie kann ich darauf reagieren um den Schaden zu begrenzen?

 

Ich versuche in diesem Blog nach bestem Wissen eine Antwort zu geben …

Die Nervosität war besonders im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung von NVIDIA und der FED-Sitzung im November groß. Auf ein kurzes Aufatmen nach dem  Ende des US-Shutdowns folgten neue Unsicherheiten um die US-Zinspolitik und Diskussionen um die Risiken des KI-Hypes sorgen nach wie vor für enorme Tagesschwankungen. Diese Unsicherheiten erinnern uns daran, wie schnell die Stimmung umschlagen kann. Die ewigen Crashpropheten verstummen  nicht. Ich zähle mich nicht dazu. Wer in der Vergangenheit beim Markt Timing mehr als einmal richtig lag, der hat mit Sicherheit meine Anerkennung und Aufmerksamkeit. Wenn nicht, dann nicht. Ich gehe davon aus, dass die Chance, dass sich die Party an den Börsen bis auf weiteres fortsetzt, weiter intakt ist. Insbesondere Vergleiche zwischen KI-Hipe 2025 und der Dotcom-Blase 2000 scheinen aufgrund der starken Ergebnisentwicklung nicht begründet. Aber die Psychologie und Gruppendynamik spielen natürlich auch eine Rolle. Man muss dabei jedoch bedenken, dass versäumte Gewinne letztendlich auch Verluste sind. 

 

Ich kann an dieser Stelle nur meine aktuellen Annahmen zum Marktumfeld zur Orientierung offenlegen. Ich nenne die Summe dieser Annahmen/Festlegungen übrigens meine Arbeitshypothese und die bildet immerhin die Grundlage meiner eigenen Veranlagungsentscheidungen. Natürlich wird sich immer wieder herausstellen, dass ich dabei nicht immer richtig liege. Das muss es auch nicht, denn das ist gar nicht notwendig und auch nicht mein Anspruch. Die transparenten Annahmen geben mir die Möglichkeit, mich auf die richtigen Dinge zu konzentrieren, Fehler schnell zu erkennen und darauf zu reagieren. Ich werde also auf Grundlage neuer Informationen  prüfen und gegebenenfalls meine Einschätzung vorbehaltlos anpassen - oder eben fortschreiben.

 

  • Crashes kommen überraschend und unangekündigt. Genau aus diesem Grund sind sie so beängstigend und bringen meist unser gesamtes Bezugsgrößen-System aus dem Gleichgewicht. Erst wenn sich ein neues Gleichgewicht bildet, dreht der Markt wieder. Wenn alle vom Crash reden, weil die KI-Blase, gibt es vermutlich gar keine Blase. Eine Konsolierung nach einer Überhitzung ist etwas völlig anderes. Sie ist sogar sehr wahrscheinlich und gehört zum Börsenalltag dazu. Konsolidieungsphasen sind normal und sollten entsprechend besonnen gemanagt werden und keinen panischen Aktionismus erzeugen.

  • Ein besonderes Crashrisiko kann ich aktuell nicht erkennen. Zumindest nicht ohne gleichzeitigen starken Ölpreisanstieg. Da gibt es in den letzten Jahrzehnten eine starke Korrelation, die wohl nach wie vor ein guter Indikator ist.

  • Die Party scheint noch nicht vorbei. Die Stimmung wird aber zunehmend nervöser und die Reaktionen auf Nachrichten heftiger. Es ist bestimmt nicht verwerflich, zu partizipieren, solange die Musik noch spielt. Etwas mehr Unaufgeregtheit und ein bisschen weniger Hype wäre aber bestimmt hilfreich. Mit der tollen Performance von Gold und Silber  (beste Assetklasse 2025) fällt eine vorsichtige Risiko-Diversifikation diesmal auch nicht allzu schwer, da sie die Performance nicht belastet. 

  • Eine Konsolidierung der Aktienkurse wäre also keinesfalls überraschend, sondern eigentlich längst überfällig (meine Argumentation ist in den Blogbeiträgen vom Juni und Juli 2025 nachzulesen). Sie wäre in meinen Augen völlig normal und gesund. Je später, desto schmerzhafter eine mögliche Korrektur. 

  • Edelmetalle bleiben angesagt. Schwächephasen sind Kaufgelegenheiten.

  • Die geopolitische Unsicherheit bleibt groß, ebenso wie die Zweifel an der Stabilität der Finanzsysteme. Das treibt die Nachfrage der Anleger*innen und auch die Nachfrage der Zentralbanken ist sehr groß. Die große Nachfrage sollte der Attraktivität und der Preisentwicklung von Edelmetallen weiter förderlich sein.

  • Außerdem gehe ich davon aus, dass von der Zinsseite weder von der FED noch von der EZB Unterstützung zu erwarten ist. Beide werden den Leitzins im Dezember wohl aller Voraussicht nach unverändert lassen. Ein aktuell nicht auszuschließender weiterer Zinsschritt der FED könnte die Party wohl noch verlängern.

  • Dass nächste Jahr wird aber vermutlich schwierig werden. Man sollte zumindest darauf vorbereitet sein, dass die vielbeschworene Party jederzeit enden kann - und irgendwann enden muss! Wie gesagt: Bei einer langjährigen Durchschnittsrendite von immerhin 7% am Aktienmarkt kann es logischerweise nicht jedes Jahr um 20% nach oben gehen. Einen Teil der Gewinne muss man als Risikopuffer sehen und wird man daher wohl teilweise wieder abgeben müssen. Darauf sollte man strategisch gut vorbereitet sein. Das Ziel ist so wenig wie möglich von den Gewinnen abzugeben und die Chancen der Übertreibung zu nutzen. Es hilft enorm sich weder von Gier noch Panik anstecken zu lassen und die eigenen Emotionen zu kontrollieren.

  • Ich möchte mich nicht wiederholen, aber die Börse ist keine Einbahnstraße. 4 ist an der Börse eben nicht 2 + 2, sondern leider 2 + 3 - 1. Darauf kann man sich einstellen und das muss man als Investor*in aushalten können, ohne die Nerven zu verlieren.

  • Eine bereits mehrmals von mir zitierte Weisheit lautet: Wer nicht dabei ist, wenn es runtergeht. Ist meist auch nicht dabei, wenn es raufgeht.

  • Die Kombination von geopolitischer Unsicherheit und dem Glaube an eine mögliche Fortsetzung des Zinsenkungszyklus in den USA sollte den Preis von Edelmetallen weiter treiben.

  • In Europa und Asien sind baw keine Zinssenkungen realistisch (was allerdings eingepreist zu sein scheint) .

  • Der USD dürfte strukturell unter Druck bleiben. Das hilft zwar dem Export, treibt aber die US-Inflation.

  • Das Mittel der Wahl heißt Diversifikation und auf Megatrends setzen und… „Erwarte immer das Unerwartete“ und sei mental darauf vorbereitet. Das schafft Resilienz.

Ich schließe mit einem Zitat eines erfahrenen Investmentbankers und JP Morgan CEO, Jamie Dimon, der es eigentlich wissen sollte: 

„Je länger es in einem Markt aufwärtsgeht, desto größer ist die Gefahr, dass eine Korrektur abrupt und heftig ausfällt."

 

Ich werde einen meiner nächsten Blogs dem Thema „Diversifikation“ widmen und bei dieser Gelegenheit auch gleich Bewusstsein für ein paar verbreitete Irrtümer schaffen.

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