Bad Habits - Return Chasing
Mit diesem Blog-Beitrag möchte ich eine Serie kürzerer Beiträge mit dem Titel „Bad Habits“ starten, angelehnt an den Artikel „Bad Habits and Good Practices“ der drei Finanzexperten Amit Goyal, Antti Ilmanen und David Kabiller. Diese Studie erschien 2015 im renommierten Journal of Portfolio Management. Konkret geht es dabei um das Fehlverhalten von Anlegern, das einen negativen Einfluss auf die Performance hat. Publikationen zu den größten Anleger-Fehlern gibt es viele, zum Beispiel den Artikel „Diese 20 Fehler solltest du beim Investieren unbedingt vermeiden“ , der auf einer Analyse des CFA Institute basiert.
Ich möchte hier daher keine umfassende Übersicht über die gängigsten Anlagefehler darstellen, sondern für mich persönlich relevante Punkte herauspicken und diese näher beleuchten. Mich interessieren dabei insbesondere die Ursachen für diese Fehler, die im menschlichen Verhalten fußen, sowie die Auswirkungen der Aktionen von Einzelnen auf Viele, sprich „den Markt“. Und natürlich, wie ich dieses Verhalten vermeiden kann bzw. was ich als „Good Practice“ – der Antithese zum „Bad Habit“ - besser machen kann.
Return Chasing
Unter „Return Chasing“ versteht man die Tendenz von Anlegern, sich Investments auszusuchen, die in jüngerer Vergangenheit eine bessere Rendite aufwiesen als ihre eigenen Investments, um dann spontan in diese „ad hoc“ umzuschichten. Goyal, Ilmanen und Kabiller zeigen in ihrem Artikel, dass Investoren dazu tendieren, „Multi-year Gewinner“ zu kaufen und „Multi-year Nieten“ zu verkaufen, also Aktien, die viele Jahre konstante Gewinne eingefahren haben, oder eben das Gegenteil davon. Dabei orientieren sich die meisten Investoren an 3-Jahres- bis 5-Jahres-Zeithorizonten. Tatsächlich legen die im Artikel zitierten Studien nahe, dass es zwar (statistisch betrachtet) förderlich ist, in Aktien zu investieren, die über die letzten Monate hinweg überdurchschnittliche Renditen gezeigt haben. Gleichzeitig ist es aber abträglich, in Aktien zu investieren, die über den 3- bis 5-Jahres- Zeithorizonten zu den Gewinnern gezählt haben. Dies kann natürlich nicht auf die Einzelaktie übertragen werden, wie gesagt handelt es sich um statistische Aussagen.
Dieses Return Chasing führt (statistisch betrachtet) zu „ill-timed activity“, d.h. Investoren investieren prozyklisch und investieren, wenn eine Aktie bereits beträchtliche Gewinnzuwächse aufzuzeigen hatte, schlimmstenfalls kurz vor dem Peak. Oder sie verkaufen die Aktie, wenn sie bereits deutlich gefallen ist, schlimmstenfalls, bevor eine Kehrtwende eintritt.
Dies gilt ebenso für professionelle Investoren: Die Autoren der Studie stellen fest, dass selbst bei gemanagte Fonds die zugekauften Aktien zumindest in den ersten Monate nach dem Investment eine unterdurchschnittliche Performance aufweisen. Ausserdem ist der Großteil der schlechte Performance eines gemanagten Fonds häufig auf die aktive Aktien-Auswahl der Manager zurückzuführen.
Übrigens gilt diese Thematik auch für reine „Buy and hold“ Investoren. Schließlich müssen auch diese irgendwann mal investieren und sei es nur zu Beginn. Auch hier wird in der Regel ein suboptimaler 3- bis 5- Jahreshorizont herangezogen. Diese Investitionsentscheidungen können die zukünftigen Renditen maßgeblich – und nachhaltig – negativ beeinflussen.
Ursachen
Eine der Ursachen für dieses Fehlverhalten liegt darin begründet, dass wir als Menschen dazu angelegt sind, Muster zu finden und davon auszugehen, dass diese auch in Zukunft Gültigkeit haben. Auch in komplexen Umgebungen wie Finanzmärkten extrapolieren wir aus der Vergangenheit und erkennen Muster, wo in Wirklichkeit gar keine sind. Zumal Vorhersagbarkeit in Finanzmärkten nur eingeschränkt wenn überhaupt möglich ist, wie auch der Verhaltensforscher Daniel Kahneman schreibt. Der „Rückschaufehler“, wenn wir eine Geschichte finden, die die jüngste Vergangenheit erklärt, diese aber gar nicht die tatsächliche Ursache darstellt (oder zumindest nur einen Teil der komplexen Ursachen), trägt dazu bei, uns im Glauben an die „Extrapolations-Validität“ zu bestärken.
Soziale Effekte
Derartiges prozyklisches Verhalten Einzelner wird bestärkt durch soziale Verhaltenseffekte, die im „Peer Risk“ resultieren. Unter Peer Risk versteht man die Tendenz, das zu kaufen was gerade bei seinen Peers „in“ ist, also denen, mit denen man sich vergleicht oder von denen man Informationen bezieht, zB Investment-Freunde oder Newsletter. Eine solche Herdenmentalität kann den Markt deutlich beeinflussen, da ich und meine Gleichgesinnten, und dann in weiterer Folge diese und deren Kolleg*innen gemeinsam Investitionsmassen bewegen, die die Marktpreise beeinflussen.
Auf institutioneller Ebene generieren natürlich auch risk management rules, stop-loss trigger und ähnliches gleichlaufendes Verhalten.
Fazit und was kann ich dagegen tun?
In Aktien zu investieren, die über die letzten Monate hinweg überdurchschnittliche Renditen gezeigt haben, ist kein Fehler. Sehr wohl aber, in Aktien zu investieren, die über den 3- bis 5-Jahres- Zeithorizonten zu den Gewinnern zählen. Statistisch betrachtet jedenfalls. Grundsätzlich sollte man sich sowieso jede Aktie genau ansehen und auf Basis dieser Erkenntnisse eine Entscheidung treffen. Immer wieder.
Um als kleiner Anleger nicht den hier beschriebenen Anlagefehlern auf den Leim zu gehen, ist es zuerst mal wichtig, sich diese menschlichen Verhaltensweisen zu vergegenwärtigen und an sich selbst wahrzunehmen. Um jedoch möglichst frei zu sein von diesem Verhalten, ist es zuerst mal wichtig, sich als Grundstock eine Anlagestrategie zurechtzulegen und sich an diese zu halten. Über Anlagestrategien hat Udo in diesem Blog bereits einige Beiträge verfasst: Vorsorgen mit 30, Vorsorgen mit 40, Vorsorgen mit 50 und Vorsorgen mit 60.
Zusätzlich sollte man sich vor Augen halten, dass es grundsätzlich keine billigen oder teuren Aktien gibt, sondern es zählt nur, ob ich glaube, dass am Ende meiner Halteperiode der Kurs wahrscheinlich höher liegen wird als heute (hoffentlich um einiges höher). Am besten stelle ich dazu für jede Aktie eine „Arbeitshypothese“ auf, wie sich der Aktienkurs in den nächsten Jahren entwickeln wird. Dazu muss ich verstehen, was ein Unternehmen, dessen Aktien ich halte, macht und was es besonders macht und von anderen Aktien abhebt. Ich habe im Blogbeitrag Nvidia Insights zum Beispiel das Fly-Wheel Prinzip beschrieben, das mir bei dieser Einschätzung hilft. Udo nennt das das „Wisse-Warum-Du-Etwas-Besitzt-Prinzip“. Diese Übung sollte man tourlich wiederholen, das heißt regelmäßig jede einzelne Aktie neu bewerten. Dann fühle ich mich auch sicher genug, Marktverwerfungen durchzutauchen und nicht aktionistisch der Herde zu folgen und zu den falschen Zeitpunkten kaufen und verkaufen.
Meistens steckt hinter schlechten Entscheidungen Emotionalität, allen voran Angst und Gier. Aber dazu mehr in zukünftigen Beiträgen.