Nvidia Insights
Dieser Beitrag setzt auf den Grundlagen des KI-Beitrags vom 30.04.2025 auf. Dort wurde der aktuelle Stand und die Zukunftsaussichten für Generative KI im Allgemeinen skizziert. Mit dieser Wissensbasis wollen wir uns jetzt das Geschäftsmodell von Nvidia genauer ansehen und vor allem die Frage diskutieren, ob und inwiefern die enormen Umsätze und Gewinne von Nvidia nachhaltig sind.
Welche Produkte bietet Nvidia überhaupt an?
Im letzten Beitrag haben wir die Grafikkarten (GPUs) angesprochen, die bestens geeignet für Pre-Training sind. Nvidias Produktpalette geht aber weit darüber hinaus und ist auf den ersten Blick schwer überschaubar, es reicht von Grafikkarten für Gaming, GPUs für KI Training (zB Blackwell), eine Programmierumgebung für GPU Applikationen (CUDA) bis hin zu AI supercomputer PCs, AI factory blueprints, KI Lösungen für Autonomes Fahren, Robotics, KI Infrastruktur für clouds, und noch anderes mehr.
Das Unternehmen hielt auf dem GPU - Markt im zweiten Quartal des Jahres 2022 einen Anteil von über 80 %. Das Unternehmen konnte stark von den aktuellen Entwicklungshoffnungen im Bereich der künstlichen Intelligenz profitieren und stieg 2024 zeitweise zum wertvollsten börsenorientierten Unternehmen der Welt auf.
Auf das alles detaillierter einzugehen, würde uns aber nicht wirklich viel helfen, um das Geschäftsmodell und dessen Nachhaltigkeit besser zu verstehen.
Zuerst mal: wo will Nvidia hin?
Wir haben im letzten Blog über Generative KI gesprochen, das allerdings auf einen ganz spezifischen Task, zB einen ChatBot in einem Large Language Model, zugeschnitten ist.
Generative KI ist aktuell “state of the art of AI”. Die nächsten Schritte der KI-Entwicklung nach Nvidia sind:
- Agentic AI: Damit ist gemeint, dass die KI selbständig Aufgaben ausführen kann, die Planung, Verständnis des Kontext und Einsatz des passenden Tools (zB eines Large Language Model) erfordert;
- Physical AI (Robotics): Die Fähigkeiten der Agentic AI werden dann in einem physischen Gerät (einem Roboter) mit entsprechenden mobilen Fähigkeiten eingebaut, zB für die Krankenpflege.
Nvidia will überall vorne mitspielen und entwickelt bereits entsprechende Lösungen, wie Jensen Huang, Nvidias CEO, in einer 3-Jahres-Roadmap im März 2025 dargelegt hat.
Diese Roadmap ist ein kluger Schachzug, denn tatsächlich ist die Unübersichtlichkeit, Vielfalt und der “Kristallkugel-“Charakter von KI – keiner weiß in welche Richtung sich das Ganze entwickeln wird – ein wesentlicher Grund für die Volatilität des Nvidia-Aktienkurses.
Nvidias Geschäftsmodell
Das Wichtigste zuerst: Nvidia arbeitet nach dem Fabless-Prinzip, das heißt es besitzt aktuell keine eigenen Fertigungsstätten, sondern lagert die Produktion der Hardware an Partnerunternehmen aus, für die Halbleiter-Chip-Produktion z.B. weitgehend an TSMC, was Nvidia stark abhängig von diesen Unternehmen macht. Dementsprechend hat Nvidia sehr wenige Aktiva auf der Bilanz stehen. Das Kapital des Unternehmens ist Technologie-Knowhow und ihre intrinsische Innovationskraft.
Das klingt risky, nicht? Wir denken dabei gleich an Patente, die auslaufen. Das Unternehmen muss sich also – noch mehr als andere Unternehmen – ständig neu erfinden, aber gleichzeitig sinnvollerweise einem Mehrjahresplan folgen. Ein interessanter Spagat.
Das Ganze kann funktionieren, wenn Nvidia wie ein “Schwungrad” läuft. Einmal in Bewegung gesetzt und immer wieder mit Impulsen zum Weiterdrehen versehen, erzeugt es ein Momentum, das entscheidend ist für ein wirklich starkes Wachstumsunternehmen. Das dahinterstehende Prinzip wird daher auch “Flywheel-Prinzip” genannt.
Klassisches Beispiel eines Flywheel ist Amazon: Mit ihrer einfach handzuhabenden e-commerce Plattform ziehen sie Besucher an, was wiederum Drittparteien-Händler anzieht, das Angebot steigt, Erträge steigen bei gleichbleibenden Fixkosten, ein Teil wird als Preissenkungen weitergegeben, was wiederum mehr Kunden anzieht, und so weiter. Amazon hat dieses Flywheel längst erweitert auf cloud services (Amazon AWS Cloud), das Unternehmenskunden (statt Retail-Kunden wie für das e-commerce Angebot) anspricht, das für Cloud Computing aber nach demselben “Schwungrad-Prinzip” läuft.
Versuchen wir uns nun daran, für Nvidia ein Flywheel zu formulieren: Nvidia hat im Gaming begonnen, das computertechnisch schwierige Fragestellungen hinsichtlich Geschwindigkeit und Grafiken in Echtzeit beinhaltet, und dabei herausragendes Know-How aufgebaut. Sie konzentrieren sich auf Design, Qualitätssicherung, Marketing und Customer support, haben aber ein weitreichendes Partner-Netzwerk, das die eigentliche Produktion übernimmt. Den Technologievorsprung (im ersten Schritt aus dem Gaming) können sie verwenden, um ähnliche Probleme für KI zu lösen. Dadurch ziehen sie vermehrt Kunden an, aus der Gaming-, KI-, aber auch der Crypto-Mining-Welt. Erträge steigen bei gleichbleibenden Fixkosten, was sie weiter in Research und Development investieren, um zukunftsträchtige Innovationen zu kreieren und so den Mitbewerbern immer die entscheidende Nasenlänge voraus zu sein. Mit jeder neuen Innovation drehen sie das Flywheel weiter.
Im letzten Beitrag habe ich am Schluss erwähnt, dass Nvidia nicht schläft. Tatsächlich legen sie, was Innovationen betrifft, ein beeindruckendes Tempo an den Tag, wie wir vorher schon kurz umrissen haben.
Fassen wir zusammen: Das Geschäftsmodell von Nvidia basiert auf der Innovationskraft und dem Know-How zum Lösen schwieriger computertechnischer Probleme, ihrem Partnernetzwerk und dem “Ökosystem” von Anwendungen, die sie bereits im Fundus haben. Diese Faktoren treiben das “Flywheel” an, das meiner Ansicht nach langfristig funktionieren kann.
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass Nvidia tourlich Innovationen auf den Markt bringen muss, sie sind “doomed to innovate”.
Nvidia und insbesondere der CEO Jensen Huang sind sich dessen aber bewusst. Am Beginn der Entwicklung von Grafikkarten, 1997, konnte das Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt nur mehr die Gehälter der Mitarbeiter für das nächste Monat zahlen. Diese Erfahrung führte dazu, dass Huang interne Firmen-Präsentationen auch Jahre später mit den Worten “Unser Unternehmen steht 30 Tage vor der Schließung” begonnen hat.
Warum ist der Aktienkurs von Nvidia so volatil?
Vorab, wie kommt die Bewertung eines Aktienkurses zustande? Klar, der Aktienkurs konstituiert sich durch Käufe und Verkäufe an der Börse. Aber wie schätzen Analysten den aktuellen Wert eines Unternehmens ein?
Die Bewertung einer Aktie konstitutiert sich durch zukünftige Zahlungsströme, also überwiegend ihren erwarteten Gewinnen. Institutionelle Investoren und Analysten setzen Kursziele fest, die sie mit verschiedenen Methoden – und Annahmen – evaluieren. Eine Methode ist die Bewertung von Private Equity, also Unternehmen, die nicht börslich notiert sind: Die Private Equity Valuation wird meist über die Discounted Cashflow Methode (DCM) berechnet, wobei der Zeitwert zukünftiger Zahlungsströme durch Multiplikation des zukünftigen Zahlungsstroms mit einem Diskontfaktor berechnet wird. Die zukünftigen Zahlungsströme sind die erwarteten (prognostizierten) Gewinne der nächsten Jahre, sowie ein sogenannter “Terminal Value” nach meistens fünf Jahren, in dem der Unternehmenswert fünf Jahre in der Zukunft geschätzt wird. Klarerweise ist alles davon unbekannt, die zukünftigen Gewinne und - vor allem - der Terminal Value.
Innovations-immanente Volatilität
Die Financial Times rechnet vor, dass 80% der zukünftigen Zahlungsströme von Nvidia später als im Jahr 2030 stattfinden. Bei so etwas bahnbrechend Neuem wie KI, in das so viele Hoffnungen projiziert werden, ist das schon ein enormer Anteil, keiner weiß was in drei Jahren sein wird, geschweige denn noch später. Entsprechend groß ist die Nervosität der Anleger: sie wissen einfach nicht, was das Unternehmen wert ist, was Nvidias Innovationen künftig an Erträgen bringen werden, zumal diese DCM-Modelle auf Wachstum ausgerichtet sind. Nvidia hat in den letzten Jahren enormes Wachstum gezeigt, das sie aber jedes Mal neu und wieder übertreffen müssen, um die Anleger zufriedenzustellen. Jede quartärliche Publikation der Firmenzahlen ist damit ein Stresstest für den Aktienkurs, der oft unwirsch auf sogar kleine Hick-ups reagiert.
Zölle und Exportbeschränkungen treiben die Volatilität
Hardware-Komponenten von Nvidia sind zur Schlüsseltechnik für das boomende Geschäft mit künstlicher Intelligenz geworden. Der Großteil wird in Taiwan produziert – was im Westen schon seit Jahren Sorgen nährt, dass geopolitische Spannungen mit China die Versorgung mit dieser hochmodernen Technologie versiegen lassen könnten.
Der vorige US-Präsident Joe Biden versuchte in seiner Amtszeit, die Ansiedlung von Chipherstellern in den USA mit Milliardenzuschüssen zu fördern, gleichzeitig wurden Exportrestriktionen gegenüber China auferlegt. Donald Trump legte mit seinen Zollrestriktionen nach und ließ den Kurs von Nvidia dadurch massiv abstürzen. Die US-Exportbeschränkungen für Hochtechnologie nach China führten zu Abschreibungen bei Nvidia im Volumen von 5,5 Milliarden Dollar.
Das Unternehmen hat in der Vergangenheit verschiedene spezielle Varianten seiner KI-Chips für China entwickelt, die nicht unter das jeweils geltende US-Embargo fielen. Nach jeder Verschärfung der US-Bestimmungen mussten die Produkte entsprechend angepasst werden. Diese Unsicherheit und die erratischen Handlungen des aktuellen amerikanischen Präsidenten bleiben in den nächsten Jahren wohl weiter bestehen.
Die Konkurrenz
Spätestens seit der Publikation von DeepSeek muss allen Anlegern klar sein, dass China im AI-Innovationsrennen ganz vorne mit dabei ist. Nvidia hat hier noch die Nasenlänge voraus, aber das kann sich ändern, wenn atemberaubende Innovationen aus China das westliche Licht erblicken. Wie im März 2025 bei DeepSeek wird ein solches Ereignis den Kurs von Nvidia wahrscheinlich wieder abstürzen lassen, zumindest kurzfristig.
Zusätzlich ist die Aufrechterhaltung der Quasi-Monopolstellung von Nvidia und das Risiko von erfolgreichen Wettbewerbsklagen ein weiteres Damokles-Schwert.
Die Abhängigkeit von TSMC
Wie schon erwähnt lagert Nvidia die Produktion der Hardware an Partnerunternehmen aus, für die Halbleiter-Chip-Produktion z.B. weitgehend an TSMC, was Nvidia stark abhängig von anderen Unternehmen macht. Gerade mit dem in Taiwan beheimateten TSMC ist damit eine weitere starke Abhängigkeit von geopolitischen Situationen gegeben. Auch wenn Nvidia Pläne vorgestellt hat, in Houston und Dallas zwei Supercomputer-Fabriken mit asiatischen Auftragsfertigern zu bauen und in Arizona die Produktion von Chips für Training und Betrieb von KI-Software gemeinsam mit TSMC in Arizona bereits angelaufen ist und Nvidia weitere Investitionen dieser Art angekündigt hat, bleibt diese generische Abhängigkeit die größte Schwachstelle im Geschäftsmodell von Nvidia.
Das Management
Der CEO von Nvidia, Jensen Huang, ist 61 Jahre alt und seit der Gründung von Nvidia 1993 allmächtiger CEO. Er ist Visionär und eine one-man show. Sein Management-Stil ist für ein Unternehmen dieser Größe unüblich, so ist die Organisationsstruktur des 36.000-Mitarbeiter-Unternehmens sehr flach, 40 Personen berichten direkt an Huang, und es gibt kein wirkliches Planungs-System. Huang meinte in einem Interview “The reason for that is because the world is a living, breathing thing. So, we just plan continuously; there is no five-year plan, there is no one-year plan, there is no plan — there is just what we are doing.”
Das funktioniert aktuell offenbar gut, stabile Managementstrukturen sind das aber nicht: Ein stabiles Unternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass es auch ohne CEO auskommt, weil es entsprechende innere Strukturen aufgebaut hat. Das ist im Fall von Nvidia nicht zu erkennen.
Fazit:
Das Geschäftsmodell von Nvidia ist technische Innovation. Einem Flywheel-Approach entsprechend denkt Nvidia Innovationen stetig voraus. In einer kürzlich vorgestellten Roadmap versuchten sie, Stabilität in ihren Innovationen zu zeigen und dadurch die Unsicherheit der Investoren zu besänftigen. Die Volatilität der Aktie bleibt aber hoch, insbesondere durch die Abhängigkeit von Drittanbietern, die die technischen Bauteile fertigen (zB Mikrochips durch TSMC), die geopolitische Situation (Zollpolitik Trumps, Restriktionen des Verkaufs von KI-Produkten an Länder wie China), der Fähigkeit von Nvidia führend in AI-Innovationen zu bleiben und letztendlich der Person des CEO Jensen Huang selbst.
Die Erwartungen und Hoffnungen der Anleger sind immens hoch, das Vertrauen in eine stabile Entwicklung aber nicht, wie die Kursbewegungen der letzten Monate zeigen. Gerade die Entwicklung dieser Aktie ist bestimmt durch Beliefs und Hoffnungen der Anleger, der nervöse Investorenzeigefinger am Verkaufknopf zittert vor jedem Quartalsergebnis und der Angst vor neuen Trump’schen Ideen. Die Aktie hat Potenzial, birgt viele Chancen für den Investor aber auch viele Risken. Sie wird meiner Meinung nach sehr volatil bleiben und ist daher nichts für schwache Nerven.