Market talk - Spiel mit dem Feuer
Die Märkte feiern trotz meiner Bedenken auch im Juli Rekorde. Die Entspannung an den Finanzmärkten darf aber kein Grund für Übermut sein. Ich wäre froh, wenn ich mich irre und mich die nahe Zukunft eines Besseren belehrt. Ich kann nur immer wieder betonen, dass es weder möglich noch notwendig ist, immer richtig zu liegen. Ich habe mich schon öfter geirrt. Es kommt allein auf die Fehlerkultur an. Entscheidend ist die Wahrscheinlichkeit. Wenn diese ein Niveau erreicht, das einem sagt, ich muss Handlungen setzen und gegebenenfalls auf etwas Rendite verzichten, dann sollte man im Sinne des übergeordneten Ziels auch konsequent sein. Für mich persönlich ist das aktuell der Fall. Meine Erfahrung sagt mir: Vorsicht, lass dich von der Stimmung der Herde nicht mitreißen, die rationalen Warnzeichen verdichten sich.
Ich werde meine Einschätzung vom vergangenen Monat hier im Rahmen des Blogs aktualisieren und überprüfbar begründen und niemanden zu überzeugen versuchen. Am Ende ist das auch nur eine Meinung und Interpretation. Wichtig ist Transparenz. Die Entscheidung ist letztlich der Einschätzung der Leser und Leserinnen überlassen.
Eine Einordnung von Trumps gigantischen Gesetzespaket
Gegen alle Widerstände und Kritik hat Donald Trump seine „Big Beautiful Bill“ doch durchgebracht. Doch wird sie die optimistischen Erwartungen auch erfüllen können? Während Zukunftsbranchen belastet werden, werden alte Industrien subventioniert. Fossile Energien und klassische Produktionsbetriebe sind die klaren Gewinner des Steuerpakets. Ist das wirklich ein nachhaltiger Steuerungs-Impuls?
Donald Trump setzt seine Prioritäten. Unternehmenssteuern werden gesenkt, und als Gegenfinanzierung werden die Ausgaben für Sozialprogramme gekürzt und Förderungen für Zukunftstechnologien beendet.
Wenig überraschend sorgt „The Big Beautiful Bill" bei Freund und Feind für Kritik. Die Demokraten blockieren, und die Republikaner sind gespalten. Elon Musk nennt es sogar „wahnsinnig und zerstörerisch“. Seine Kritik ist in der Sache durchaus berechtigt. Immerhin kommt es ab 2027 zur Beendigung der Förderungen für Wind, Solar, Speicher und E-Mobilität. Elon Musk hat sogar angekündigt, eine eigene politische Partei gründen zu wollen, um so in Zukunft auf die Gesetzgebung möglicherweise mehr Einfluss zu haben. Ob ihm das mit seiner „America Party“ tatsächlich gelingt, wird die Zukunft zeigen. Nur eines ist sicher, wenn Musk seine Ankündigung wahr macht, wird das für weitere politische Verunsicherung sorgen.
Auch ob „The Big Beautiful Bill" also wirklich den erhofften Wachstumsschub bringt, bleibt offen und man darf durchaus Zweifel haben.
Anleger*innen sollten sich besser vor übertriebenem Optimismus hüten, denn du die Warnsignale mehren sich …
Zollstreit: Die Deals und Verhandlungen signalisieren eine leichte Entspannung jedoch keine Rückkehr z. Auf Zölle zwischen 10 und 20 Prozent wird sich die Wirtschaft wohl langfristig einstellen müssen. Das wird zulasten der Margen gehen, das Wachstum beeinträchtigen und die Inflation fördern. Die USA und China sind zu einem Kompromiss gekommen. Die USA heben einige Beschränkungen auf. China genehmigt im Gegenzug wieder die Exporte Seltener Erden in die USA. Doch damit ist das Zollthema nicht gelöst. Die drohenden US-Strafzölle auf EU-Importe wären Urinsbesondere für Europas exportlastige Wirtschaft eine große Belastung. Die Unsicherheit über die künftige Handelspolitik bleibt weiter kritisch und wird auch in Zukunft für Nervosität sorgen. Das negativste Szenario für beide Seiten wäre bestimmt ein Handelskrieg zwischen Europa und den USA.
Edelmetalle: Die Goldhausse ist noch nicht am Ende. Manche sprechen sogar von einem Superzyklus.
Schuldenberge: Die USA haben über 30 Billionen US-Dollar Schulden bei ihren Gläubigern angehäuft. Trump bekennt sich zum Sparen, Auch in Europa steigen die Schulden. Bemühungen zur fiskalischen Konsolidierung gibt es nahezu keine.
Derzeit scheint der Markt das Risiko einer militärischen Eskalation im Nahen Osten auszublenden. Ich hoffe, der Schwarm der Anleger behält Recht.
Derzeit sind die privaten Haushalte noch robust aufgestellt. Es deutet jedoch auch einiges auf eine Abkühlung des privaten Konsums hin. Der Konsumindex liegt immerhin elf Prozent unter dem Vorjahr.
Laut Arbeitsmarktbericht wurden im Juni netto “nur” 33.000 Stellen abgebaut. Die offiziellen 147.000 neuen Jobs stammen allerdings größtenteils aus der Regierung und dem Gesundheitswesen. Ist das zudem ein Indiz dafür, dass der US-Job-Boom zu Ende geht?
Ein überraschend starker Arbeitsmarktbericht sorgte für frischen Optimismus. Während die Märkte von diesen Zahlen profitieren, rücken mögliche Zinssenkungen der US-Notenbank allerdings dadurch in weite Ferne.
Crypto Week
In der Woche vom 14-18. Juli 2025 fand die offizielle „Crypto Week“ statt. Gemeinsam mit der republikanischen Mehrheit im Kongress soll eine regelrechte Gesetzes-Offensive gestartet werden, um Amerikas Vormachtstellung im Krypto-Sektor zu zementieren.
Im Juli geht es spannend weiter:
Zinspolitik in Europa: In Europa steht am 24.7. die nächste Zinsentscheidung der EZB an. Die Frage ist, ob die EZB wie erwartet den Leitzins am aktuellen Niveau belassen wird.
Zinspolitik in den USA: In den USA sorgt Trumps erratische Politik weiter für Verunsicherung. Kaum hatte er gedroht, Fed-Chef Jerome Powell feuern zu wollen, ruderte er vergangene Woche auch schon wieder zurück. Der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen Trump und Jerome Powell ist objektiv nicht geeignete Bedenken auszuräumen. Wie werden die Börsen auf das Hin und Her reagieren?
Einkaufsmanagerindizes: Welches Signal ist von der Veröffentlichung der Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone, Deutschland, Großbritannien und die USA zu erwarten und wie wird die Interpretation der Märkte hinsichtlich Konjunktur ausfallen?
Berichtssaison: Große Tech-Konzerne in den USA und in Europa veröffentlichen noch im Juli ihre Zahlen. Darunter sind u.a. Alphabet,Tesla, IBM, SAP, BNP Paribas, Total, Roche, LVMH und Nestlé. Wie werden die Unternehmensergebnisse ausfallen und wie werden die neuen Informationen von den Märkten interpretiert?
Sind die Rekorde alleine vom KI-Hype getragen?
Angetrieben vom KI-Hype und der Kursentwicklung, insbesondere der Tech-Giganten, konnte der NASDAQ 100-Index auch 2025 wieder profitieren und neue Rekorde erreichen. Das gilt jedoch nicht für die Mehrheit der Einzelaktien, die über zehn Prozent unter dem 52-Wochen-Hoch notieren. Da das so ist, sollten wir die Augen offen halten und unseren Nachrichtenfilter ergebnisoffen auf die Frage ausrichten, wie es mit KI weitergeht und ob das Faktum der mangelnden Breite des Anstiegs als Aufholpotential oder als Warnsignal interpretiert werden sollte.
Wie viel von der bisherigen Outperformance Europas ist Währungseffekten zuzuschreiben?
Viel der Outperformance Europas im Jahr 2025 ist allerdings Währungseffekten aufgrund des schwachen USD zuzuschreiben. Das Währungsbild vermittelt den Eindruck, dass das Misstrauen in die Politik der USA so groß zu sein scheint, dass selbst der Nahost-Krieg den US-Dollar nicht stärken konnte.
Der USD/EUR Spotkurs notiert am 28.7. bei 0,85. Damit beläuft sich der Währungsverlust des USD 2025 gegenüber dem EUR um die 13%.
Zur Vertrauensbildung trägt der politische Zick-Zack-Kurs Trumps absolut nicht bei. So beispielsweise sein Verhältnis zu FED-Chef Jérôme Powell. Zuletzt eskalierte der Konflikt im Rahmen der gemeinsamen Besichtigung der aktuellen Baustelle des FED-Gebäudes in einen öffentlich ausgetragenen Schlagabtausch. Es ist zu befürchten, dass man hinsichtlich einer Zinswende in den USA wohl noch Geduld haben wird müssen.
Was ist die Aussagekraft des Ölpreises?
Öl ist ein wichtiger Konjunkturindikator. Man könnte sogar behaupten, dass es keine Rezession ohne steigenden Ölpreis gibt.
Solange der Ölpreis niedrig ist, fürchte ich keine Rezession, und der Ölpreis ist nicht nur nicht gestiegen, sondern 2025 sogar um knapp 9% gesunken. Über allem schwebt jedoch immer noch das hohe geopolitische Risiko einer Eskalation des Nahostkonflikts. Dazu gehört die Drohung des Iraks, die wichtige Straße von Hormus zu blockieren, und die unberechenbare Politik Trumps. Insbesondere der Konflikt zwischen dem Iran und Israel bzw. der USA birgt das realistische Potential eines Flächenbrandes in der Region und eines schmerzhaften Anstiegs des Ölpreises.
Sollte uns das Jahr 2000 eine Warnung sein?
Ich glaube nicht daran, dass es eine Rezession ohne steigenden Ölpreis gibt. Aber genau das war aber im Jahr 2000 der Fall, das so gerne als Vergleich für ein Platzen der aktuellen mutmaßlichen Aktienblase herangezogen wird. Mit Recht? Werfen wir dazu einen Blick auf die Merkmale, die als ursächlich für den Markteinbruch im Jahr 2000 angesehen werden:
Astronomische Kursentwicklungen, die alleine auf Hoffnung und nicht auf realen Unternehmensergebnissen basierten und zu einer massiven Überbewertung führten.
Ein starker Anstieg des Ölpreises (nahezu eine Verdopplung im Vorfeld), verbunden mit Rezessionängsten.
Eine Herde unerfahrener Anleger, die angelockt von astronomischen Kurssteigerungen alleine emotionsgetrieben entscheiden und denen rationale Bezugsgrößen für die Bewertung komplett fehlten.
Nach meiner Überzeugung treffen diese Merkmale auf die aktuelle Situation nicht zu. Deshalb halte ich einen Vergleich mit dem Jahr 2000 und dem folgenden Crash für nicht angemessen begründet.
Fazit:
Die Spannung an den Börsen ist spürbar, denn die Berichtssaison könnte den Märkten weiteren Schub verleihen oder aber auch das Gegenteil bewirken. Es wird davon abhängen, ob die aktuelle Erfolgssträhne, insbesondere der großen Tech-Konzerne, weiter ungebrochen bleibt. Die Latte liegt mittlerweile hoch und obwohl es den Unternehmen bisher weitgehend gelang, die Prognosen zu schlagen, gab es zuletzt doch auch die eine oder andere Enttäuschung. Entscheidend wird auch der jeweilige Ausblick sein. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit für eine Enttäuschung der hohen und oft überzogenen Erwartungen als recht hoch ein.
Negative Aspekte:
Leider muss ich auch einen Monat nach meiner letzten Einschätzung daran festhalten, dass es für mich nach wie vor nur eine Frage der Zeit ist, wann und warum die Stimmung kippt.
Früher oder später werden die identifizierten Warnzeichen wohl auch ihre Spuren in den Unternehmenszahlen hinterlassen. Der Absatz in den USA gerät zunehmend unter Druck und auch über der exportlastigen Industrie in Europa und in Asien schwebt wiederum das Damoklesschwert der US-Strafzölle und der bedrohliche Nahostkonflikt.
Die zuletzt im Rahmen des Zollstreits angedrohten Gegenmaßnahmen Chinas gegenüber der EU werden die Unsicherheit mit Sicherheit auch nicht positiv beeinflussen.
Auf Sicht der nächsten Monate ist zu befürchten, dass es für die US-Märkte immer schwieriger wird, und die Chance begrenzt ist, den letzten Anstieg weiter zu prolongieren. Auch ob es den europäischen Aktienmärkten gelingen wird, die Outperformance des Jahres 2025 gegenüber dem breiten US-Markt fortsetzen, wird erst die Zukunft zeigen.
Positive Aspekte:
Zwischenzeitlich markiert die Wall Street allerdings neue Rekordstände. Der große Optimismus der Anleger*innen treibt nach wie vor die Kurse. Beflügelt wurde die Stimmung zuletzt von der Veröffentlichung starker Ergebnisse von Alphabet. Die Anleger*innen ließen sich dabei auch vom Zollstreit und geopolitischen Unsicherheiten nicht bremsen und erwarten offensichtlich starke Unternehmenszahlen und die nächste Wachstumsrunde der Magnificent Seven.
Während die Rekordjagd an der Wall Street aktuell munter weitergeht, pendelt der DAX nur knapp oberhalb der wichtigen 24.000-Punkte-Marke, konnte sie jedoch vorerst noch erfolgreich verteidigen. Entscheidend für den weiteren Verlauf wird neben der Berichtssaison der Ausgang der Handelsgespräche zwischen den USA und der Europäischen Union sein.
Das relevante Enttäuschungspotential sorgt weiter für Unsicherheit, ob der Optimismus weiter anhält oder die Stimmung kippen wird.
Update vor “Redaktionsschluss“
Was die Zinspolitik in Europa betrifft, hat die EZB am 24.7. erwartungsgemäß den Leitzins bei 2,00% unverändert belassen. Die EZB sieht sich aufgrund von Handelskonflikten mit einem außergewöhnlich unsicheren Umfeld konfrontiert. Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinssenkung 2025 ist jedoch als gering einzuschätzen. Die nächste Sitzung der EZB findet am 11. September 2025 statt.
Laut Arbeitsmarktbericht wurden im Juni netto "nur" 33.000 Stellen abgebaut.
Die offiziellen 147.000 neuen Jobs stammen allerdings größtenteils aus der Regierung und dem Gesundheitswesen. Dazu sollte man auch anmerken, dass entgegen der öffentlichen Wahrnehmung Musk das Department of Government Efficiency (DOGE) gar nicht leitete, sondern Amy Gleason. Musk war immer nur “technischer Berater der Regierung”. Seine genaue Verantwortung und Kompetenz war nie wirklich transparent. Betrachtet man nur die Privatwirtschaft, dann verringert sich der Zuwachs im Juni auf 74.000 Stellen. Die Arbeitslosenquote lag übrigens bei 4,1%. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich die neuen Zahlen entwickeln und wie sie vom Markt interpretiert werden. Dann wird auch deutlicher werden, ob der US-Job-Boom zu Ende geht.
Das Ergebnis der US-EU-Handelsgespräche wird vor allem in Europa kritisiert und als „Kniefall vor den USA“ klassifiziert. Das kann man so sehen. Ich stelle dazu pragmatisch fest, dass der Deal einfach die aktuellen Machtverhältnisse widerspiegelt. Dessen muss sich die EU selbst besinnen und gegensteuern. 15% Zoll gelten nun für nahezu alle Produkte. Wenige Produktgruppen (darunter Flugzeuge, sowie bestimmte Chemikalien und Rohstoffe) sind auf einer „Zero-for-Zero“-Liste und damit vollständig zollfrei. Für andere wie Aluminium und Stahl gibt es ein neues „Kontingentmodell“. Über dem Kontingent bleibt es bei 50% Zollbelastung.
Vorerst sind 15% Zölle bestimmt besser als eine Eskalation und ein offener Handelskonflikt. Während der DAX Federn lassen musste, sorgte die Vereinbarung an den US-Börsen nur für ein kurzes Schulterzucken. Nach einem kurzen Anstieg folgte die Ernüchterung auf den Fuß, und am Ende des Handelstages gab es kaum eine Veränderung.
Ich bleibe dabei: Die kumulative Margenbelastung aus Zoll- und Währungsentwicklung für die europäische Industrie wird irgendwann ihre auch deutlichen Spuren in den Ergebnissen und Kursen hinterlassen müssen.