Bad Habits - Verlustaversion oder die Vogel-Strauß-Taktik

Dem Vogel Strauß sagt man nach, dass er bei Gefahr seinen Kopf in den Sand steckt, um so einer Gefahr zu entgehen. Leider ist diese Überlieferung falsch. Diese Tiere tun dergleichen nicht. Dennoch ist nach ihnen die „Vogel-Strauß-Taktik“ benannt, unter der man versteht, dass man die Augen vor unangenehmen Realitäten verschließt, eine drohende Gefahr nicht sehen oder bestimmte Tatsachen einfach nicht zur Kenntnis nehmen will. Und entsprechend auch nicht handelt, obwohl Handeln angesagt wäre. Die Realität wird ignoriert.

Sträuße stecken den Kopf nicht in den Sand. Menschen tun das. Metaphorisch betrachtet.

Dem Frosch sagt man nach, dass er nicht reagiert und einfach sitzen bleibt, wenn man in seinem Aquarium die Temperatur bis zum Sieden erhitzt, bis er schließlich daran stirbt. Leider ist auch diese Überlieferung falsch. Frösche tun das nicht. Menschen tun das. Metaphorisch betrachtet.

Wir wollen uns hier aber nicht über die Frage unterhalten, warum wir diesen armen Tieren solche unsinnigen Handlungen unterstellen, sondern die Frage stellen, was das mit uns zu tun hat, mit uns als Investoren.

Im Jahr 2022 sank der S&P500 von 4.800 Punkten zu Jahresbeginn auf 3.600 im Oktober 2022, ein Minus von 25%. Ich steckte den Kopf in den Sand – und tat nichts. Oder vielleicht passt auch das Bild des Frosches: die „Verlusttemperatur“ stieg – aber ich wartete ab, und tat nichts. Und das obwohl eine meiner Anlagegrundsätze besagt, mir ab einem unrealisierten Verlust von 20% zu überlegen, was (und ob etwas) zu tun ist. Ein paar meiner Aktien erlitten in diesem Zeitraum Verluste bis zu 75%. Ich tat nichts. Das ganze Jahr nicht.

Warum habe ich das nur getan – oder eben nicht getan?

Im Nachhinein ist man gescheiter. Aber nur, wenn man sich überlegt, was da überhaupt abgelaufen ist. Daher, in meinen emotionalen Eingeweiden respektive Erinnerungen grabend, waren hier mehrere Mechanismen am Werk: persönliche Charakterzüge, wie zB Trägheit, über die ich mich hier aber nicht näher auslassen will. Vor allem aber – und das ist der springende Punkt – waren hier emotional-kognitive Verzerrungen am Werk, wie sie Daniel Kahneman und andere beschrieben haben.

Zuerst mal die Verlustaversion: Dieser emotionale Bias besagt, dass für Menschen Verluste ein höheres Gewicht haben als Gewinne gleicher Höhe. Bei Anlegern führt dies dazu, dass Anleger bei Gewinnen risikoavers handeln – also zu früh realisieren – und bei Verlusten risikoaffin agieren – also diese zu lange laufen lassen. Und nicht verkaufen, obwohl das das Gebot der Stunde gewesen wäre. Im beschriebenen Fall war der Zeitraum auch lange gedehnt, also kein plötzlicher Event, den man übersehen hätte können. Ganz konkret: ich wollte einfach keine Verluste realisieren.

Verluste realisieren, also ECHTE Verluste einfahren, tut weh. Und zwar (meiner Meinung nach deutlich) mehr als keine Gewinne zu machen.

Die Tendenz, diesen Verlust-Schmerz zu vermeiden, wurde gestützt von der Hoffnung, dass es „das jetzt schon gewesen ist“, ab jetzt geht es aufwärts. Immer wieder. Immer wieder enttäuschte Hoffnung. Ein klarer Fall von FOMO (siehe dazu den Bad Habits Blog vom September 2025), das dem Gedanken entspricht: Wenn ich jetzt aussteige, und es geht gerade dann bergauf, dann versäume ich den Trend nach oben, genauso wie ich den Trend nach unten verschlafen und nicht adäquat darauf reagiert habe.

Verlustaversion, FOMO und meine Trägheit haben mich dazu verleitet, den Kopf in den Sand zu stecken und Vogel Strauß zu spielen (auch wenn ich dem Tier damit unrecht tue).

Aber was hätte ich damals anders machen sollen?

Ich will mich hier auf die emotional-kognitive Ebene konzentrieren und nicht auf Inhalte, also was 2022 wirklich passiert ist. Erstens wäre damit der Rückschaufehler verbunden, den ich vermeiden will. Und zweitens weiß ich ehrlich gesagt nicht, warum gerade im Oktober 2022 die Kehrtwende stattgefunden hat.

Meine Anlagestrategie beinhaltet die Maßnahme, ab einem Verlust von 20% näher hinzusehen und meine Arbeitshypothese zu dieser Aktie zu überdenken. Das habe ich einfach nicht gemacht. Hätte ich das getan, hätte ich wohl manche Aktien (teil)verkauft, um so den Liquiditätspolster hinreichend aufzufüllen, wenn es wieder nach oben geht. Denn Fakt ist: als die Kurse wieder nach oben gingen, konnte ich davon nicht profitieren, weil mein Liquiditätspolster viel zu niedrig war. Meine Strategie (bzw Teil meiner Anlagestrategie) von „Buy the dip“ hat also nicht funktioniert, weil die Maßnahme „schaue, dass du hinreichend Liquiditätspolster hast um das auch tun zu können“ nicht durchgeführt wurde. Weil ich weggeschaut habe. Und ich warten musste, bis sich mein Portfolio statisch davon erholt.

Aber gerade solche Phasen, wie 2022, sind DIE Chance für den Anleger. Wenn man das nicht sieht und sich auf solche Situationen nicht vorbereitet, durch entsprechende Maßnahmen als Teil der Anlagestrategie wie beschrieben, lässt große Gewinnpotenziale liegen.

Wenn ich mir persönlich was wünschen möchte, dann dass ich daraus gelernt habe und DIESEN Fehler nicht mehr machen werde.

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